FDP gegen Umbenennung der Heilmeyersteige

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wir von der FDP werden der Beschlussvorlage heute nicht zustimmen. Nach wie vor halten wir es für falsch, die Heilmeyersteige umzubenennen.

Ich möchte dazu drei Gründe nennen.

Als erstes steht die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Ich habe, als dieses Thema zum ersten Mal in diesem Gremium behandelt wurde, auf ein zusätzliches Kriterium bei der Bewertung potentiell belasteter Namen gedrängt, nämlich die Auswirkungen einer Umbenennung mit in die Abwägung einfließen zu lassen. Dies wurde vehement abgelehnt. Heute kann ich auch besser verstehen warum, denn dann wäre ein Anhaltspunkt für Klagen gegen den heutigen Beschluss gegeben, wenn dieses Kriterium nicht angemessen berücksichtigt worden wäre.

Aber nach wie vor sind wir als Gemeinderäte angehalten, die Verhältnismäßigkeit unserer Beschlüsse zu beachten. Und hier hat die Beschlussvorlage doch einige Mängel, da die Kosten und Aufwände für die Betroffenen aber auch für die Stadt nur unzureichend beschrieben sind. Die Kosten für die Stadt werden gar nicht erst genannt und für die Bewohner wird von nur geringen Kosten und einem sehr überschaubaren Aufwand gesprochen.

Was die Anwohner anbelangt, sind die Darstellungen der Auswirkungen irreführend. Es wird von Briefpapier und Visitenkarten gesprochen, als ob wir im letzten Jahrhundert leben würden. Die meisten Anwohner dürften weder das eine noch das andere überhaupt besitzen. Nein, die Aufwände sind ganz andere. Jeder hat seine Adresse bei unzähligen Firmen und Institutionen hinterlegt. Da überhaupt zu ermitteln, wen man alles informieren muss, ist schon ein großer Aufwand. Der nächste Schritt ist dann, die neue Adresse überall anzugeben. Da kann es dann schon passieren, das ein automatisiertes System die neue Adresse gar nicht akzeptiert, weil es laut seiner Datenbank im Ulm keine „Eselsbergsteige“ gibt. Bestenfalls wird dann als Straße „Am Eselsberg“ eingetragen. Auch in einem Call-Center glaubten die Bearbeiter eher ihren Datenbanken als dem, was der Kunde sagt.

Wenn dann eine Firma die neue Adresse akzeptiert hat, und dann einen Brief oder eine Sendung mit der richtigen Anschrift verschickt, ist die Zustellung keinesfalls gesichert. Denn es gibt ja nicht mehr nur einfach die gute alte „Bundespost“ sondern eine große Zahl von Post, Paket- und Kurierdiensten. Auch bei denen wird eine Straßenumbenennung nicht so schnell ins System eingetragen. Und wenn dann der Paketbote im Navi die Straße „Eselsbergsteige“ eintragen will oder auf Google Maps sucht, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit in den ersten Monaten Probleme haben. Der Satz auf Seite 3 der Vorlage „Benachteiligungen oder Belastungen einzelner, die im Rahmen der Abwägung gegen eine Umbenennung sprechen, sind somit nicht erkennbar.“ entspricht für uns nicht der Wahrheit. Sie sind erkennbar, man muss sie nur erkennen – oder besser erkennen wollen.

All das ist natürlich beherrschbar und wird sich nach einem Jahr eingependelt haben. Aber ist der ganze Ärger und Aufwand für die Anwohner gerechtfertigt. Oder noch besser: Ist er notwendig?

Das führt mich zum zweiten Grund unserer Ablehnung:

Was die Aufwände und Kosten für die Stadt anbelangt, erfahren wir ja so gut wie gar nichts aus der Vorlage. Bei allen Vorlagen drängt die Finanzverwaltung sonst darauf, die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt genau darzustellen, aber in dieser Vorlage: komplette Fehlanzeige!

Die ganze Zeit wird zudem darüber gejammert, dass die Stadtverwaltung mit den ganzen Infrastrukturmaßnahmen gar nicht hinterherkommt, und jetzt sollen Grundbücher geändert, Karten geändert, Post, Telekom, Paketdienste, etc. informiert werden und die Straßenschilder ausgetauscht werden. Wir fragen uns erneut: ist das notwendig, oder binden wir hier ohne Not personelle und finanzielle Ressourcen, die wir für wichtigere Aufgaben einsetzen sollten. Haben wir nicht andere Prioritäten zu setzen?

Und somit komme ich zum dritten Punkt, der Frage nach der Notwendigkeit einer Umbenennung. Selbst wenn man die Erwägungen zu der Verhältnismäßigkeit und der Prioritätensetzung außer Acht lässt, so stellt sich doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Umbenennung.

Natürlich würde man heute im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse keine Straße mehr nach Prof. Heilmeyer benennen. War die Benennung damals also ein Fehler? Nein, sie erfolgte nach bestem Wissen und Gewissen der damaligen Entscheidungsträger, denen Heilmeyer als großer Mediziner bekannt war, der sich um die Stadt Ulm verdient gemacht hatte.

Zu jeder Zeit wurden Straßen nach Personen benannt, die zum jeweiligen Zeitpunkt großes Ansehen genossen. Das war übrigens auch in der NS-Zeit so, als Straßen nach Nazi-Größen benannt wurden. Auch in der DDR war man schnell dabei, Straßen und Plätze nach Ernst Thälmann, Lenin oder Stalin zu benennen. Überhaupt war man gerade in der DDR ganz schnell mit der Aufarbeitung von Schuld und Verantwortung und erklärte sich einfach zu einem antifaschistischen Staat. 50 Jahre lang wurden die Menschen mit antifaschistischen Parolen überhäuft. So glaubte man, den Faschismus aus den Köpfen zu kriegen. Schaut man sich heute die Wahlergebnisse im Osten an, so darf man bezweifeln, ob das den gewünschten Effekt hatte.

Wir setzen uns doch nicht mit der NS-Vergangenheit auseinander, in dem wir die Namen von Menschen aus dem Straßenbild tilgen, die in irgendeiner Weise „belastet“ sind. Nach dem Motto „Schild ausgetauscht und gut ist!“, oder wie?

Natürlich müssten wir eine Straße, die nach jemandem benannt ist, den viele Menschen mit dem Nazi-Regime in Verbindung bringen, umbenennen. Aber wenn wir bereits das Fehlverhalten von Ludwig Heilmeyer als Grund für die Tilgung aus dem Straßenbild ansehen, wo setzen wir dann ein Ende? Benennen wir dann in ein paar Jahren die Wagner-Straße, die Martin-Luther-Kirche und den Bismarckring um? Und sind nicht die ganzen Kriegs-Straßen in der Weststadt (Sedan-Straße, Moltke-Straße) als nächste dran? Der Hindenburgring steht ja schon auf der Abschussliste. Wo machen wir Schluss?

Und was würden wir eigentlich machen, wenn ein akribischer Forscher einmal herausfinden sollte, das Albrecht Ludwig Berblinger sich zu Lebzeiten etwas hat zuschulden kommen lassen, sich gar – wie zum Beispiel Martin Luther – antisemitisch geäußert hat. Wir der neue Berblinger-Turm dann wieder abgerissen? George Washington hat Sklaven gehalten, dennoch kam niemand in den USA nach dem Bürgerkrieg auf die Idee, die Hauptstadt umzubenennen.

Ich ziehe das Fazit: Die Umbenennung ist nicht notwendig, ist nicht verhältnismäßig und widerspricht unseren kommunalen Prioritäten.

Daher wäre die Umbenennung aus unserer Sicht eine falsche Entscheidung. Wir können sie daher nicht mittragen.