Rede von Erik Wischmann zur Verabschiedung des Haushalts 2018

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Rede zur Verabschiedung des Haushaltsplans 2018 und der Finanzplanung 2017-2021 Erik Wischmann, FDP-Fraktion Ulm, 13.12.2017

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Herr Bendel, Sie sind ein richtiger Spielverderber. Da haben sich Ihre Kollegen in den Fachbereichen zusammen mit dem Ulmer Gemeinderat in den letzten Wochen so bemüht, durch zusätzliche Ausgaben von über 5 Mio. Euro doch noch ein negatives Ergebnis für den Haushaltsplan 2018 zu erreichen und was machen Sie? Stellen einfach eine neue Steuerschätzung vor, die genau diese Mehrausgaben kompensiert, so dass wir doch wieder im Plus landen. Nun können wir ja gar nicht anders, als diesem eindrucksvollen und vor Kraft nur so strotzendem Zahlenwerk zuzustimmen.

Wir hatten uns doch schon so auf wilde Debatten um die besten Sparvorschläge gefreut und die Kreativität der lieben Kollegen hier am Ratstisch bei der Begründung, warum bestimmte Ausgaben keinesfalls gekürzt werden dürften. Aber nein, alles was wir beschlossen haben, kann im nächsten Jahr ohne neue Schulden finanziert werden, da die Steuereinnahmen sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Einkommensteuer ungeahnte Höhen erreichen sollen.

Dabei hat der Gemeinderat doch wirklich alles versucht. Wir haben Baumaßnahmen ohne Ende geplant und uns redlich bemüht, die Kunden vom Einkaufen in Ulm durch Baustellen abzuhalten und was macht die Ulmer Wirtschaft? Beschert uns Jahr für Jahr immer bessere Steuereinnahmen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll in Ulm ja laut Aussagen von Elternvertretern furchtbar schlecht sein und was machen die Ulmer? Setzen immer mehr Kinder in die Welt. In Ulm sollen furchtbare Zustände herrschen, alles ist verdreckt und heruntergekommen und was passiert? Immer mehr Menschen wollen nach Ulm ziehen. Das Bildungsniveau ist angeblich im freien Fall und was meldet die Arbeitsagentur? Beschäftigung auf Rekordniveau und nahezu Vollbeschäftigung in der Stadt. Also alles Bestens, auf zur Weihnachtsfeier und mit Champagner auf das neue Jahr anstoßen!

Jetzt könnte man ja von mir die gewohnte Fortsetzung meiner Rede erwarten, dass es angesichts der längerfristigen Prognosen dennoch so nicht weitergehen darf und wir trotz der aktuell glänzenden Zahlen sparen und maßhalten müssen. Und in der Tat, diese Rede habe ich geschrieben und war schon vorbereitet, sie heute zu halten.

Aber dann haben wir in der FDP-Fraktion erkannt, dass wir uns eigentlich ganz entspannt zurücklehnen können. Da mag der Gemeinderat noch so große Investitionen fordern und in den Haushalt reinschreiben lassen – die letzten Jahre haben gezeigt, dass es eine natürlich Grenze für das pro Jahr realisierbare Investitionsvolumen gibt.

Die Bauwirtschaft und das Handwerk in Ulm und Umgebung können gar nicht mehr umsetzen, unsere Bauverwaltung ist ebenso am Anschlag und die Baustellenlogistik stößt jetzt schon an ihre Grenzen. Auch gelingt es uns kaum noch, all die neuen Stellen, die wir schaffen wollen, zu besetzen, so dass auch dem Personalanstieg natürliche Grenzen gesetzt zu scheinen. Und der Ausbau der Kinderbetreuung geht auch nur in dem Maße voran, wie wir neue Räume bauen und Personal gewinnen können.

So setzt die normative Kraft des Faktischen allzu großen Höhenflügen bei der Investitionswut im Ulmer Gemeinderat hoffentlich ganz automatisch Grenzen. Und das gibt uns allen doch ein nie gekanntes Gefühl der Freiheit. Wir können reinen Herzens den Ulmerinnen und Ulmern sagen: Wir würden ja gerne noch mehr machen, das Geld wäre auch da, sogar neue Schulden schrecken uns nicht, aber leider scheitern wir an natürlichen Grenzen der Umsetzbarkeit. Was für eine Freude, erlaubt es uns das doch, zu sparen, ohne große Anstrengungen zu unternehmen.

Es sind bereits so viele Bauprojekte auf dem Weg, dass wir für die nächsten 10 Jahre nahezu ausgebucht sind. Man könnte fast sagen: „Der Reichtum verdammt uns zum Sparen.“

Und jetzt können wir dieses „Sparen“ – oder vielleicht richtiger gesagt „Konsolidieren“ – aus einer Position der Stärke heraus ganz gelassen angehen. Da wir ja gar nicht noch mehr realisieren können, gönnen wir uns doch den Luxus, einfach mal nichts Neues zu beschließen. Ganz entspannt zurücklehnen, die Dinge laufen lassen und stattdessen mal die Zeit nutzen, um längerfristig zu denken und neue Konzepte für die Stadt zu entwickeln. Die Bundesregierung hat es uns in den letzten Jahren ja gezeigt, wie wirkungsvoll Nichtstun für die wirtschaftliche Entwicklung sein kann. Insofern sollten wir der FDP in Berlin dankbar sein, denn mit dem Jamaika-Aus geht dieses Nichtstun in die Verlängerung.

Nur mit dem Planen und Fitmachen für die Zukunft hat es die Bundesregierung in den letzten vier Jahren leider nicht so gehabt. Also sollten wir es hier in Ulm anders machen und diese neue Freiheit jetzt nutzen, um einmal von der Hektik der Anträge auf neue Baumaßnahmen und vorgezogene Sanierungen zurückzutreten und uns ganz entspannt zu fragen: Wie soll es in Ulm eigentlich weitergehen, wenn das große Pensum abgearbeitet ist? Um dann, wenn der Baulärm verflogen ist, die Bauzäune abgeräumt sind und die Stadt im neuen Glanz erstrahlt, wirklich bereit für die Zukunft zu sein.

Und solche Konzepte entstehen nicht über Nacht und nicht durch eine Flut von Anträgen sondern durch sorgfältige Analyse und Diskussion über die richtigen Schritte. Es gibt dafür ja gute Beispiele in Ulm. So ist die Initiative Ulm – Internationale Stadt zum Beispiel ein richtiger Baustein, um sich den Realitäten einer immer bunteren Zusammensetzung der Stadtgesellschaft zu stellen. Und diese Initiative ist lange vor der Flüchtlingskrise entwickelt worden, eben nicht aus der akuten Not heraus sondern weil wir uns rechtzeitig mit der Zukunft beschäftigt haben.

Aber es gibt da noch viele Baustellen, die bislang nur zaghaft angegangen wurden. Trotz der erfreulichen Geburtenzahlen wird der demografische Wandel zu einer deutlichen Zunahme älterer Menschen führen, die ganz andere Ansprüche an eine Stadt haben und gleichzeitig auch andere Möglichkeiten der Beteiligung haben. Das Potential und die Erfahrung vieler rüstiger und fähiger Menschen, die bereits aus dem regulären Berufsleben ausgeschieden sind, könnte für ehrenamtliche Aufgaben noch viel stärker genutzt werden.

Doch auch junge Familien werden in Ulm gebraucht. Es sollte uns eine Warnung sein, wenn immer mehr junge, gutverdienende Paare, die eine Familie gründen wollen, aus Ulm wegziehen, weil sich ihr Wunsch nach einem Eigenheim mit etwas Garten in Ulm nicht realisieren lässt. Bei allem Verständnis für Nachverdichtung und dem Vorrang von Geschosswohnungsbau, eine Monobaukultur kann Ulm nicht guttun. Die richtige Mischung macht’s.

Auch in der Kultur ist mir der Plan, überall mehr auszugeben, sei es beim Theater oder beim Museum, viel zu kurz gegriffen. Wir sollten uns eher fragen, was bedeutet Kultur für die Menschen in Ulm, wo geht die Reise hin. Auch da spielen Digitalisierung und Globalisierung eine immer größere Rolle. Hier könnte man ganz neue Ansätze für eine zukunftsweisende Kulturpolitik in Ulm entwickeln, die weniger mit Geld als mit Kreativität zu tun haben.

Ob die ganze Förderwut bei den Sportprojekten – man kann hier ja schon von „Sportmania“ im Gemeinderat sprechen – wirklich sinnvoll ist und zu überglücklichen und dankbaren Vereinen führt, wage ich auch zu bezweifeln. Die Anträge für noch mehr Förderung sind bestimmt schon geschrieben, die Ansprüche steigen mit jedem geförderten Projekt nach dem Motto, so was wollen wir dann aber auch bekommen.

Und in der Sozialpolitik kann die Devise doch nicht heißen, nur immer mehr Beratungsangebote und noch mehr niedrigschwellige, inklusive, maßgeschneiderte und sozialraumorientierte Leistungen anzubieten oder entsprechende Projekte zu fördern. Wir geben hier immer mehr Geld aus, doch der tatsächliche Nutzen bleibt nebulös. Die Mantra-artig vorgetragenen Argumente, diese Ausgaben würden uns spätere Kosten in der Sozialbetreuung ersparen, überzeugen nicht mehr und entziehen sich jeder Nachprüfbarkeit.

Statt uns von den Heerscharen von Sozialverbänden und karitativen Einrichtungen immer neue Ideen für noch mehr Projekte und Einrichtungen aufschwatzen zu lassen, sollten wir uns den tatsächlich betroffenen Menschen zuwenden und sie fragen, was denn wirklich sinnvolle Hilfe wäre und wo es hakt. Und ein bisschen mehr Vertrauen in die Kraft und Fähigkeit jedes Einzelnen und der Respekt vor seiner individuellen Freiheit, wie er sein Leben gestalten möchte, täte auch ganz gut. Wenn jemand eine Vergünstigung nicht in Anspruch nehmen möchte, sollten wir nicht mit allen Mitteln versuchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Das hat dann nämlich auch etwas mit Würde und Selbstbestimmtheit zu tun.

Und das bringt mich auch zum Schluss meiner Rede, nämlich den dringenden Appell, sich wieder mehr mit der Frage zu beschäftigen, was Ulm in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wirklich braucht. Wie wir es schaffen, den erarbeiteten Wohlstand zu erhalten und alle daran teilhaben zu lassen. Welche Unterstützung die Wirtschaft bei den Chancen und Risiken der Digitalisierung und dem Strukturwandel in der Energie- und Automobilwirtschaft braucht. Wie sich die Menschen in Ulm wohl und glücklich fühlen und der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt wird.

Die bisherigen Ansätze müssen wir überdenken, denn ich kann leider nicht feststellen, dass unsere ganzen Maßnahmen der letzten Jahre die Zufriedenheit der Menschen spürbar gesteigert haben.

Also, um einen bekannten und gern kopierten Wahlkampfspruch zu zitieren: „Denken wir neu!“.

Zum Schluss möchten wir uns auch dieses Jahr bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die geleistete Arbeit bedanken, die jeden Tag mit Tatkraft und Engagement versuchen, den vielfältigen Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger und des Gemeinderates gerecht zu werden.

Ihnen allen wünschen wir jetzt erholsame und fröhliche Festtage und dass das Jahr 2018 unseren hohen Erwartungen gerecht wird.

Vielen Dank!